Wolf Renschke

DLF Köln

Rot

Die Farbe der Liebe? Ja, doch. Denn gerät dabei nicht auch
das Blut in Wallung?

Blutrot, glutrot zuweilen auch der Sonnenuntergang.
Oder gar ochsenblutrot. Rot auch beim Stierkampf, dann
immer noch die Farbe der Liebe – oder eher die des Todes,
der Vergänglichkeit?


„Du innig Rot,
bis an den Tod
soll meine Lieb dir gleichen,
soll nimmer bleichen,
bis an den Tod,
du glühend Rot,
soll sie dir gleichen.“
(Karoline von Günderrode, „Hochrot“)

Rot.

Diese Farbe wirft viele Fragen auf. Und ist so vielseitig
verwendbar. Für Ferrari, Marlboro und Coca Cola zum
Beispiel.

Rot an der Ampel – die Farbe als Verbot, Rotlicht signalisiert
Gefahr. Einerseits – andererseits von heilender Kraft,
je nachdem.

Signal auch für die Rettung: Feuerlöscher, Feuerwehrauto
rot lackiert! Wo andererseits doch das Feuer selbst ...

„Sehet ihr am Fensterlein“, heißt es bei Eduard Mörike im
Gedicht „Der Feuerreiter“, „dort die rote Mütze wieder?“.
Und dann: „Schaut! da sprengt er wütend schier / Durch
das Tor, der Feuerreiter ... Der so oft den roten Hahn /
Meilenweit von fern gerochen“.

Und das Tier selbst? Vorstellbar, ein Hahnen-Kamm wäre ...
nein, von anderen Farben soll hier nicht die Rede sein.
Es sei denn, im Zusammenspiel mit Rot. Denn reichlich ist
auch die Natur damit bestückt: Erdbeer’, Himbeer’, Kirsch’
und Hagebutte – „Ein Männlein steht im Walde ... Es hat
von lauter Purpur ein Mäntlein um“!

Welch ein Rot – Purpur! Nun ja, auch der Fliegenpilz
leuchtet rot, allerdings ergänzt um weiße Punkte.
Auch andernorts solch gegenseitige Ergänzung:
Scheeweißchen und Rosenrot!

Rot und Weiß – bei Heinrich Heine liest es sich so:

„Mädchen mit dem roten Mündchen,
mit den Äuglein süß und klar,
du mein liebes, kleines Mädchen,
deiner denk ich immerdar.
(...)

An die Lippen wollt ich pressen
Deine kleine, weiße Hand
Und mit Tränen sie benetzen,
deine kleine, weiße Hand.“

Mündchen? „Rote Lippen soll man küssen“, heißt die
Aufforderung im Schlager. In einem andern kommt noch
einiges dazu, wird die „rote“ Glückseligkeit aufgefächert:
„Rote Lippen, rote Rosen, roter Wein ...“.

Womit wir bei Rotkäppchen wären, befördert es im Korb
nicht auch Rotwein für die Großmutter?

Doch auch da ist Schattierung möglich, nicht immer nur
funkelt es im Glase rubinrot.

Zinnoberrot, karmesinrot, tizianrot – eine Farbe ohne
Grenzen, eindeutig und zugleich vielfach deutbar.
Je nach Tageszeit: Morgenrot und Abendrot.

Beispiele gefällig? Für ersteres Theodor Fontane vielleicht:

„Ich küsste auch zwei Lippen,
in Morgenrot getaucht,
die waren wie die Rosen,
von Anmut überhaucht.“

Und Joseph von Eichendorff:

„O weiter, stiller Friede!
So tief im Abendrot.
Wie sind wir wandermüde –
Ist das etwa der Tod?“

Rot ist der Tod, die Liebe, das Blut, die Revolution ... Rot ist
das Verbot, der Aufbruch und die Gefahr. Wer sich schämt,
wird manchmal rot. Lieber tot als rot – oder umgekehrt?
Rote Fahnen sieht man besser. So oder so – die Erde wird rot?

Rot sind die Bilder von Bettina Kresslein, viele jedenfalls.
Eigentlich alle. Auch unter und hinter Grün, Grau, Braun
und Gelb und Blau.

Kresslein-Rot. Punkt.
Roter Punkt!